Meine kleine Assistentin und ich

Meine Herausforderung in den letzten Wochen:

Die Wunde am Stoma.
Es war nicht einfach, nicht angenehm, nicht mal eben nebenbei zu managen. Durch das Wundsekret und die Vaseline-artige Salbe wollte die Platte einfach nicht halten. Sie rutschte, löste sich, machte, was sie wollte, nur nicht das, was sie sollte. Das bedeutete für mich: bis zu drei Mal am Tag die komplette Versorgung wechseln. Jedes Mal neu reinigen, trocknen, Salbe auftragen, Pflaster drauf, Beutel befestigen. Jedes Mal neu hoffen, dass es diesmal besser hält.

Und ganz ehrlich? Ich war einfach nur genervt.
Genervt von der Zeit, die es kostet.
Genervt vom Gefühl, dass mein Körper mir einen Strich durch die Rechnung macht.
Genervt von der Tatsache, dass es mich so sehr einschränkt.

Denn es geht nicht nur um das Wechseln an sich. Es geht um das ständige Dran-Denken. Darum, dass ich mich tagsüber nicht frei bewegen kann, ohne immer wieder zu kontrollieren, ob noch alles an seinem Platz sitzt. Es geht um das Wissen, dass ich mich nie einfach nur fertig machen und losgehen kann, denn es könnte jederzeit sein, dass ich nochmal ran muss.

Doch irgendwann – und das ist das Gute an Herausforderungen – entwickelt sich eine Routine.
Plötzlich wird aus dem anstrengenden Muss ein Ablauf, der funktioniert. Nicht schön, nicht perfekt, aber machbar.

Ich spüle die Wunde nun gründlich mit NaCl, lasse die Lösung kurz einwirken, bevor ich mit Kompressen vorsichtig trockne. Dann kommt die Salbe. Und die ist eine richtige Herausforderung: hartnäckig, widerspenstig, klebt überall, nur nicht dort, wo sie soll. Eine Konsistenz wie Kaugummi, das sich in Haaren verfangen hat: Du weißt, du musst es vorsichtig machen, aber es bleibt eine Fummelarbeit.
Aber ich wäre nicht ich, wenn ich keine Lösung finden würde. 🙂
Mit einer Spritze aufgetragen, lässt sich die Salbe viel gezielter verteilen. Kein Verschmieren mit den Fingern, kein ewiges Hin-und-her-Wischen. Stattdessen eine saubere, einigermaßen schnelle Anwendung.
Dann das Hydrokolloidpflaster, ein sicherer Abschluss, bevor der Beutel drüberkommt.
Und tadaaa: seit einigen Tagen reicht ein Wechsel am Tag.
Es dauert länger. Es ist mehr Arbeit. Aber es ist okay. Es nimmt mir ein Stück der Last, die mich die letzten Tage so erdrückt hat.

Doch wisst ihr, was das Schönste ist?
Das, was mich über all die Lästigkeit und Frustration hinwegsehen lässt?

Ich habe Unterstützung. Von IHR.
Sie ist vier Jahre alt. Teamwork-Queen. Meine Assistentin Nummer eins.
Da steht sie neben mir, schaut genau zu, fragt nach, hilft mit voller Begeisterung. Und wenn es ans Abziehen der Schutzfolie von der Stomaplatte geht, dann ist sie in ihrem Element. Das ist ihr Moment. Ihre Aufgabe. Ihr Highlight. Sie zieht sie ab mit einem Strahlen im Gesicht, als wäre das hier das beste Spiel der Welt.

Und ich?
Ich liebe es.
Liebe, dass sie keine Angst hat. Keine Hemmungen. Keine Berührungsängste.
Nur viele Fragen, die ich ihr mit Freude beantworte.
Weil es für sie normal ist, weil es das ist. Punkt.

Und falls jetzt jemand denkt: „Oh, die Arme. Liegt bestimmt nur rum mit dieser blöden, nervigen Wunde“
Oh nein, so läuft das nicht.
Ich lebe. Ich lache. Ich nehme meine Tochter an die Hand, wir gehen raus, wir entdecken die Welt. Wir sammeln Steine und rennen durch Pfützen. Wir stehen an der Eisdiele und überlegen zehn Minuten, welche Sorte es heute sein soll. Wir haben Spaß, wir machen Erinnerungen.

Ja, es gibt Tage, an denen es nicht geht. An denen mein Körper sagt: Heute nicht.
Tage, an denen ich mich zurückziehen muss, mir Ruhe nehme.
Und das ist okay. Das ist wichtig. (Und auch das musste ich erstmal lernen…)

Denn genau das zeige ich meiner Tochter: Dass es nicht nur in Ordnung, sondern notwendig ist, Pausen zu machen. Auf sich zu hören. Sich selbst die Erlaubnis zu geben, nicht immer zu funktionieren.

Aber an allen anderen Tagen?
Bin ich nicht weniger. Nicht langsamer.
Nur ein bisschen anders und trotzdem voll dabei.

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