GdB und Widerspruch

Nach meiner Kolektomie im Juli 2018 habe ich einen GdB (Grad der Behinderung) beantragt. Der Bescheid kam dann einige Monate später. In dieser Zeit des Wartens brach bei mir am Stoma die Hauterkrankung Pyoderma gangraenosum aus. Ich hatte tiefe Wunden am Stoma, die versorgt werden mussten und das gestaltete sich als schwierig bis teilweise unmöglich. Zu der schlimmsten Zeit musste ich acht bis zehn Mal am Tag meine Versorgung wechseln. Also stellte ich einen Verschlimmerungsantrag des GdB´s. Dieser wurde abgelehnt, da es sich hierbei um eine neue, eigenständige Erkrankung handle und diese nicht in die eingetragene Behinderung mit einbezogen werden könne. Das leuchtete mir damals natürlich ein, aber dass diese trotzdem meine eigentliche Behinderung (Morbus Crohn mit Stoma) verschlimmert, wurde hier nicht akzeptiert und das nahm ich so hin.


Ende letzten Jahres lief dann die Befristung meines Schwerbehindertenausweises aus.
Ich musste alle Arztbriefe und Krankenhausberichte der letzten vier Jahre noch einmal durchgehen und verfasste ein Schreiben, in dem ich erklärte, was in den letzten Jahren geschehen ist und warum sich mein Grad der Behinderung in meinen Augen verschlimmert hat. Ich legte ein Schreiben von einem meiner Chirurgen dazu, der ziemlich deutlich machte, wie sehr sich meine Situation verschlimmert hat. Nach ungefähr einem halben Jahr bekam ich einen Bescheid mit demselben GdB wie zuvor. Die Begründung war, dass sich in meiner Situation nichts geändert habe. Das hat mich wütend gemacht. Sehr wütend. Also legte ich Widerspruch ein. Ich beschrieb in drei langen Seiten ganz klar und deutlich, was mich einschränkt und begründete warum es seit dem Bescheid von 2018 deutlich mehr geworden ist.

Das Problem ist einfach, dass die Sachbearbeiter, die für solch einen Antrag eine Entscheidung fällen müssen, meist überhaupt keine Ahnung haben. Meine Sachbearbeiterin wusste nichts über meine Behinderung- oder zumindest nicht genug. Da sie davon ausgegangen ist, dass trotz meiner beschriebenen Probleme keine Verschlechterung vorhanden wäre, hat mir das nur gezeigt, dass ich da absolut ins Detail gehen muss.

Also überlegte ich mir Schritt für Schritt, was sich für mich verändert hat. Daraus wurde eine lange Liste, viel länger als ich vermutet hätte.
Um zu verdeutlichen, in wie weit sich das zu meinem Bescheid von 2018 geändert hat, habe ich ihr tabellarisch aufgezeigt, wo die genauen Unterschiede liegen (zum Teil mit Zeiterfassung).
Daraufhin bekam ich recht schnell eine Antwort, womit ich überhaupt nicht gerechnet hätte.
Zu meinem Bedauern musste ich allerdings feststellen, dass sich dieser Brief der Sachbearbeiterin wie Schikane mir gegenüber anfühlte.
Sie teilte mir mit, dass auf den letzten Bescheid kein Widerspruch eingelegt werden durfte, da dies nicht ausgeschrieben war. Sie würde es als neuen Antrag aufnehmen, die Bearbeitungszeit läge bei bis zu 6 Monaten und ich solle ihr Arztbriefe und Krankenhausberichte zukommen lassen. 

Warum?
Warum muss man es einem chronisch kranken und behinderten Menschen nur so schwer machen?

Andere hätten an dieser Stelle aufgegeben, weil es einfach zu viel Kraft und Energie kostet. Kraft, die man nicht mehr aufbringen kann und Energie, die einfach nicht vorhanden ist.
Vor ein paar Jahren noch hätte ich es an dieser Stelle bestimmt auch gut sein lassen .
Heute jedoch weiß ich, was ich in den letzten Jahren durchgestanden habe und dass es mit Sicherheit kein Zuckerschlecken war. Es hat sich für mich im Hinblick auf meine Behinderung so viel verschlechtert, dass ich mir sicher war, mir würde mehr zustehen.

Also alles nochmal von vorn:

Ich stellte den Antrag, legte alle vorhandenen Arztbriefe und Krankenhausberichte bei, zusätzlich noch einmal das Schreiben meines Chirurgen.
Den Widerspruch legte ich ebenfalls erneut dazu und machte ganz klare Angaben wo ich mich sehe und welcher GdB mir meiner Meinung nach zusteht.
Bevor ich alles abschickte, ging ich mit einer Kopie des Widerspruchs zu meinem Gastroenterologen, um diesen mit ihm durchzugehen.
Er sprach mir Mut zu und sagte mehrmals, dass ich den Widerspruch sehr gut umgesetzt hätte. 
Und damit schickte ich alles ab.

Es dauerte etwa zwei bis drei Monate bis ich meinen Bescheid erhielt und was soll ich sagen?

TADAAA- ich habe alles bekommen, was ich gefordert habe und als nette Zugabe obendrauf, gab es das nette Wörtchen „unbefristet“.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal so freuen würde behindert zu sein, aber in diesem Fall trifft es definitiv zu. Nicht WEIL ich behindert bin, sondern weil ich es bin und das bekommen habe, was mir zusteht. 
Ich möchte damit nicht sagen, dass es einfach war. Es hat mich sehr viel Energie und Kraft gekostet. Die Art und Weise wie es abgelaufen ist, war zum Teil wirklich unnötig und überflüssig.

Und jetzt kommt das ABER:

Es hat sich gelohnt. Es hat sich gelohnt für mich einzustehen und für mich zu kämpfen. Dem zu widersprechen, was die Leute behaupten über mich zu wissen (in diesem Fall die Sachbearbeiterin).

Das daraus entstandene Resultat hat mir die Bestätigung gegeben, dass man folgendes eigentlich viel öfter tun sollte:
Nicht immer alles hinnehmen, sondern sich auch einfach mal für sich selbst und seine Bedürfnisse stark machen.

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