In den letzten Wochen war eine Sache bei mir ganz einnehmend. Vielleicht kennt ihr das Gefühl, wenn die Angst aus der Vergangenheit plötzlich wieder präsent wird – ausgelöst durch etwas, das auf den ersten Blick harmlos erscheint, aber alte Wunden aufreißt.
Mein Stoma wurde Anfang Oktober erneut verlegt. Die OP verlief soweit gut und alles schien sich positiv zu entwickeln. Eine Woche nach meiner Entlassung wurden bei einer Kontrolle die Fäden gezogen und genau hiervor hatte ich richtig Schiss.
Nicht vor dem Fädenziehen an sich. Klar, es ist unangenehm, es zwickt und zwackt, aber ist auch schnell wieder vorbei. Wovor ich große Angst hatte, war die Zeit danach. Denn 2018 entstanden bei mir, nur wenige Tage nachdem die Fäden an meinem ersten Stoma gezogen wurden, kleine Löcher, die explosionsartig zu einer riesigen Wunde wurden. Die Schmerzen waren unerträglich, sodass ich die Hälfte meiner Reha vollgepumpt mit Opiaten im Bett verbringen musste, obwohl mir die erste Zeit doch so extrem gut tat. Bis klar wurde, dass es Pyoderma Gangraenosum ist, vergingen noch einige Wochen.
Es fühlt sich für mich an, als hätte dieses Fädenziehen, einen großen Stein ins Rollen gebracht und daher kam meine Panik vor genau dieser Sache.
Naja und was soll ich sagen? Zwei Tage nach meinem Termin im Krankenhaus, bei dem die ollen Fäden raus kamen, traten Löcher an den Nahtstellen auf.
Sofort war die Angst wieder da. Erinnerungen an 2018 stürzten auf mich ein. Es fühlte sich an wie ein Rückfall in einen Albtraum. Panik, Schweißausbrüche und das Gefühl, völlig machtlos zu sein, begleiteten mich bei jedem Blick auf die wunde Stelle. Ich schrieb direkt meine Stomatherapeutin an, sie beruhigte mich etwas. Allerdings hieß es hier wieder: Abwarten. Beim nächsten Plattenwechsel kam dann der große Schock: die Wunde war deutlich größer.
Doch dieses Mal gab es einen entscheidenden Unterschied: Die Schmerzen, die für Pyoderma so typisch sind, blieben aus. Meine Stomatherapeutin erklärte mir, dass es sich „nur“ um eine Nahtdehiszenz handelt, also ein Auseinanderweichen der Wundränder. Das sei zwar unschön, aber nicht ungewöhnlich und vor allem behandelbar. Rational verstand ich das – emotional war es jedoch schwer, die Angst zu überwinden.
Kurz darauf habe ich gemeinsam mit meiner Therapeutin daran gearbeitet, einen Weg zu finden, mit diesen Panikmomenten umzugehen. Besonders hilfreich war für mich das Erstellen einer Liste, die mich bei der Wundversorgung unterstützt und beruhigt. Diese Liste hängt an meinem Badezimmerspiegel und hilft mir, die Kontrolle zurückzugewinnen, wenn die Angst überhandnimmt.
Was auf meiner Liste steht:
1. Ich bin vorbereitet. Durch meine Erfahrungen mit Wunden bin ich selbst zum Profi geworden und weiß mir deutlich besser zu helfen, als damals.
2. Es ist nicht das Gleiche wie 2018. Die Schmerzen, die ich beim Pyoderma hatte, bleiben aus. Sie waren vor 7 Jahren ab Tag eins da und absolut unerträglich.
3. Ich bin nicht mehr allein! Meine Therapeutin, meine Stomatherapeutin und mein Umfeld unterstützen mich. Ich habe einen tollen Chirurgen, der sich gut auskennt und mich beruhigt.
4. Es darf Angst machen und schwer sein. Gefühle von Angst und Unsicherheit sind normal – ich darf sie zulassen, ohne ihnen die Macht zu geben.
Heute, einige Wochen später, ist die Wunde fast vollständig geschlossen. Allerdings gibt es eine neue Wunde. Nichts großes. Nichts dramatisches. Eigentlich. Doch für mich fühlt es sich anders an. Diese Woche war ich bei meinem Chirurgen und er ist wirklich toll. Kein Pyoderma, definitiv nicht. Dafür aber eine fistulierende und entzündete Wunde. Eine Fistel ist es (noch) nicht, aber im schlimmsten Fall kann eine daraus werden. Ich bekomme nun Antibiotika und auch wieder Entyvio. Jetzt heißt es abwarten und hoffen. Wieder einmal. Es ist nicht einfach, definitiv nicht. Aber auch hier hilft mir meine Liste wieder in besonders schlimmen Momenten.
Was ich aus dieser Erfahrung mitnehme, ist, dass es okay ist, Angst zu haben. Sie macht mich nicht schwach – im Gegenteil: Der Umgang damit erfordert oft mehr Stärke, als ich mir selbst zutraue.
Habt ihr auch Strategien oder Rituale, die euch in schweren Zeiten helfen? Ich freue mich darauf, von euren Erfahrungen zu lesen. 🙂
Toll, wie du damit umgehst! Und, dass sich deine Befürchtung nicht bewahrheitet hat! Für alles andere wünsche ich dir weiterhin viel Zuversicht, dass alles gut wird und es für alles eine Lösung gibt. Du darfst dir da vertrauen!
Mir hilft es sehr in die Dankbarkeit zu gehen und meinen Fokus darauf zu setzen, dass alles was kommt für mich ist. Ich drücke dich!