Ableismus im Krankenhaus

Am Montag im Krankenhaus hatte ich einige Tage nach meiner OP eine Begegnung, die mich wirklich schockiert hat. Und ganz ehrlich, das tun nur noch die wenigsten, bei allem, was ich schon erlebt habe.

Here we go:

Eine Krankenschwester machte ihre Abendrunde, tippte was in ihren PC, sah mich dann irgendwann an und meinte: „Sie sind doch viel zu jung für das alles.“ Dabei machte sie komische Bewegungen in Richtung meines Bauches. Ich dachte mir, was will sie jetzt damit sagen? Dass ich chronisch krank bin? Dass ich ein Stoma habe? Also entgegnete ich nur: „Naja, so jung bin ich auch nicht.“
Doch dann kam’s:„Baujahr 88? Das ist doch jung für das da.“
Wieder so ein Seitenblick auf meinen Beutel. Ich erzählte ihr dann, dass ich schon mit 11 Jahren die Diagnose Morbus Crohn bekam, damit sie versteht, dass chronische Erkrankungen kein Alter kennen. Woraufhin sie dann meinte:„Oh, dann haben Sie bestimmt auch keinen Partner.“ Ernsthaft?! Ich musste erstmal tief durchatmen, bevor ich antwortete: „Doch, ich bin verheiratet.“ Aber als ob das nicht schon genug war, setzte sie noch einen drauf: „Da können Sie sich aber glücklich schätzen, dass Ihr Mann noch bei Ihnen ist. Das machen die wenigsten.“

Bäm. Mitten ins Gesicht. Hier lag ich, frisch operiert, mein Bauch voller frischer Narben, und sie meinte wirklich, ich solle dankbar sein, dass mein Mann nicht abgehauen ist. 

Es war leider auch nicht das erste Mal, dass so etwas in meinem Umfeld gesagt wurde. Einige Leute haben auch schon meinem Mann gegenüber ähnliches erwähnt („Dass du das so mitmachst, ich könnte das ja nicht“…) – zwar nicht direkt vor mir, aber ich weiß es. Es ist, als wäre man weniger wert, wenn man krank ist.
Als ob es selbstverständlich wäre, dass Partner sich von chronisch kranken Menschen abwenden. Dass man nur eine Last ist. Aber warum denken manche Menschen so? Als hätte man sich seine Krankheit ausgesucht und müsse jetzt froh sein, wenn einem jemand „trotzdem“ beisteht. Weil man keine Persönlichkeit hat. Man IST die Erkrankung. 

„Bullshit“ sage ich zu mir selbst. Doch mein Inneres denkt ganz oft genau das. Jahrelang habe ich es gedacht. Dass ich wertlos bin und ich mich glücklich schätzen kann, wenn sich jemand mit mir abgibt. Dieses Gefühl fing schon in meiner Jugend an. Mich davon zu befreien war verdammt schwer und ist es heute auch oft noch.

Mein Mann hat es vor ein paar Tagen ziemlich passend formuliert: Vielleicht sind diese Menschen einfach noch nicht dem richtigen Partner fürs Leben begegnet oder vergessen schlichtweg, dass es einen selbst auch von heute auf morgen treffen könnte.

Ich bin mit meinem Stoma absolut fine, das wisst ihr ja. Trotzdem hat mich dieses „Gespräch“ runtergezogen, obwohl ich hier eh schon mit Schmerzen lag.

Was wäre aber, wenn jemand zum ersten Mal ein Stoma bekommen hat und sowas zu hören bekommt? Jemand, der noch unsicher ist, es vielleicht hasst? Solche Bemerkungen können tiefe Narben auf der Seele hinterlassen. Statt aufbauender Worte bekommt man Vorurteile und Unverständnis entgegengeschleudert. Da muss sich etwas ändern, vor allem in der Pflege.

Das war nur eine von vielen, das weiß ich. Wirklich. Ich fühle mich hier so gut aufgehoben. Alle Ärzte und auch das Pflegepersonal (außer eben diese eine) waren immer sehr nett und hilfsbereit. Emphatisch. Haben mir ein gutes Gefühl gegeben. Sicherheit.
Aber diese eine Situation kann all das zunichte machen. 

Ich muss dazu sagen, dass ich nicht auf der chirurgischen Station liege, sondern auf so einer Art „Auffang-Station“ für die Patienten, die auf ihrer vorgesehenen Station kein Bett mehr bekommen. Wahrscheinlich kannte sich die Dame also nicht mit einem Stoma aus. Vielleicht denkt sie wirklich, dass nur alte Menschen mit einem Stoma leben und das Leben nicht lebenswert ist. Dass ich 24/7 pflegebedürftig bin. Dass es kein Leben ist, das ich führe. Vielleicht weiß sie wirklich nicht, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Dass ich dank des Beutels wieder ein Leben führe, raus kann, genießen kann. 

Doch auch, wenn ihr das alles nicht bewusst ist, sollte sie einfühlsam und emphatisch sein und nicht SO.
Es ist wichtig, dass man solche Situationen nicht einfach hinnimmt, um langfristige Schäden zu vermeiden. Ich habe den Vorfall den beiden Stomatherapeutinnen gemeldet, die absolut geschockt waren und es an den richtigen Stellen kommunizieren werden. Es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern einfach um Respekt und Menschlichkeit. Damit hier sensibilisiert und aufgeklärt wird, sodass das hoffentlich nicht nochmal ein Stomaträger hören muss.

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